Day 1
Samstag, 10. Juni (Mittwoch)
Am frühen Morgen hat Edward Whymper sein Zuhause im Londoner Stadtteil Lambeth, nahe der Themse, verlassen. Seine Reise führt ihn in die Alpen – welche er tief in sein Herz geschlossen hat – um sich seiner Leidenschaft, dem Bergsteigen, zu widmen.
Am frühen Morgen hat Edward Whymper sein Zuhause im Londoner Stadtteil Lambeth, nahe der Themse, verlassen. Seine Reise führt ihn in die Alpen – welche er tief in sein Herz geschlossen hat – um sich seiner Leidenschaft, dem Bergsteigen, zu widmen. Mit lediglich 25 Jahren ist er mit 5 Saisons Bergsteigererfahrung ein versierter Alpinist voller jugendlichen Tatendrangs. Dank eines besonders spektakulären und erfolgreichen Bergsommers im Jahr 1864 geniesst er grosses Ansehen in der brüderlichen Gemeinschaft des britischen Alpine Club.
Heute reist Whymper alleine. Anthony Adams Reilly, sein guter Freund und Seilpartner bei verschiedenen seiner letztjährigen Heldenstreiche, wird den Sommer auf der italienischen Seite der Alpen mit Vermessungen für Alpenkarten des Alpine Club verbringen. In ein paar Wochen werden sie sich jedoch treffen. Edward Whymper wird langsam erwachsen und fühlt sich nun dazu bereit, eigenhändig Routen über Gipfel und Pässe zu planen. So steckt er sich strategische Ziele und kann es kaum erwarten, dass endlich die Zeit kommt und er diese Fertigkeiten in die Praxis umsetzen kann. Am Grenzübergang zu Frankreich kommt es oftmals zu einem Geplänkel mit den Zollbeamten, die davon ausgehen, dass jemand, der Seile und Leitern im Gepäck hat, wohl ein Räuber sein muss – was den jungen Whymper jedes Jahr aufs Neue belustigt. Nun hat er Paris erreicht und wird morgen in den Zug nach Osten steigen, der ihn in die Alpen bringen wird.
Day 2
Sonntag, 11. Juni (Donnerstag)
Heute Früh traf ein Brief in Whympers Haus in London ein. Adams Reilly, der von Whympers Plänen eines erneuten Besteigungsversuchs diesen Sommer am Matterhorn wusste, hielt es für angebracht, seinen Freund vor anderen Bergsteigern mit demselben Ziel zu warnen.
Heute Früh traf ein Brief in Whympers Haus in London ein. Adams Reilly, der von Whympers Plänen eines erneuten Besteigungsversuchs diesen Sommer am Matterhorn wusste, hielt es für angebracht, seinen Freund vor anderen Bergsteigern mit demselben Ziel zu warnen. Im März waren Thomas Kennedy, Joseph McCormick und Charles Hudson in Hudsons Pfarrei auf dem Land zusammengekommen, um eine Strategie für die Besteigung des Matterhorns auszuarbeiten. Der Brief ist jedoch einen Tag zu spät eingetroffen und wird bis zu Whympers Rückkehr im Juli ungeöffnet bleiben. Dann wird Whymper ein Anderer sein.
Die Reise geht weiter nach Lauterbrunnen. Majestätisch überragt von Eiger, Mönch und Jungfrau liegt das Dörfchen inmitten eines spektakulären Tals, umgeben von gigantischen Felswänden und donnernden Wasserfällen. Heute Abend wird sich Whymper mit Christian Almer, einem der drei Bergführer treffen, die er für seinen ehrgeizigen Alpensommer verpflichtet hat. Letzterer stammt aus dem benachbarten Grindelwald. Whymper war äusserst beeindruckt von dessen bergsteigerischem Geschick, als er im vergangenen Jahr einige Wochen lang mit Horace Walker und Adolphus Moore unterwegs war, die Almer als Bergführer engagiert hatten.
Day 3
Montag, 12. Juni (Freitag)
Obwohl Whymper am Vorabend erst spät in Lauterbrunnen eingetroffen ist, zog er heute früh morgens frohen Mutes los, um mit seinem Bergführer, Christian Almer, die Gegend zu erkunden.
Obwohl Whymper am Vorabend erst spät in Lauterbrunnen eingetroffen ist, zog er heute früh morgens frohen Mutes los, um mit seinem Bergführer, Christian Almer, die Gegend zu erkunden. Die beiden hoffen, einen neuen Pass zum Konkordiaplatz im Herzen der grössten Gletscherregion der Alpen zu finden und das 2927 Meter hohe Eggishorn zu besteigen. Bei Tageslicht studieren sie die Topographie, während sie den Abend über Karten und Höhenprofilen verbringen werden.
Edward Whymper ist einer der besten Bergsteiger seiner Zeit, allerdings geht es ihm nicht einfach nur um die zur Überwindung von Fels und Eis erforderlichen körperlichen Anstrengungen. Für Whymper liegt der treibende Faktor bei Erstbesteigungen in der mentalen Herausforderung, eine Route zu finden, die eine Besteigung tatsächlich auch erlauben wird. Wissbegierig hat er sämtliche zur Verfügung stehenden Informationen zu Geologie, Wetterlagen und Geographie der Alpen aufgesaugt. Nun brennt er darauf, dieses Wissen anzuwenden, wobei er auf das bergsteigerische Know-how, die Muskelkraft und die Willensstärke der Bergführer angewiesen ist, die ihn auf diesen Abenteuern begleiten werden.
Day 4
Dienstag, 13. Juni (Samstag)
Reverend William Hawker ist ein Bergsteigerkollege von Whymper und lebt in Interlaken. Die beiden Briten haben sich für einen Versuch am 3750 Meter hohen, noch unbestiegenen Ebnefluhjoch zusammengetan.
Reverend William Hawker ist ein Bergsteigerkollege von Whymper und lebt in Interlaken. Die beiden Briten haben sich für einen Versuch am 3750 Meter hohen, noch unbestiegenen Ebnefluhjoch zusammengetan. Wie Hawker stammen die meisten britischen Bergsteiger aus der aufstrebenden viktorianischen Mittelschicht; so sind dies meist Anwälte, Geistliche, Akademiker und Geschäftsleute, die sich im Sommer einige Wochen lang von ihren Verpflichtungen befreien können. Whymper ist von Beruf Holzstecher und arbeitet für das erfolgreiche Familienunternehmen; er illustriert Bücher und Zeitschriften, die oftmals vom Reisen handeln. Die Hauptsaison für das Bergsteigen ist im Juli und August, also hat Whymper 1865 durch seine bereits im Juni erfolgte Anreise einen gewissen Vorsprung.
Leider muss Whymper seine erste richtige Besteigung der Saison abbrechen – allerdings muss ein guter Bergsteiger eben auch wissen, wann er umkehren sollte. Das Ebnefluhjoch hat sich ihnen widersetzt und Whymper und Hawker kehren nach Lauterbrunnen zurück, wo sie die Nacht verbringen.
Day 5
Mittwoch, 14. Juni (Sonntag)
Whymper und Almer haben Lauterbrunnen heute Morgen verlassen und den eisigen Grat des 3202 Meter hohen Petersgrats überschritten.
Whymper und Almer haben Lauterbrunnen heute Morgen verlassen und den eisigen Grat des 3202 Meter hohen Petersgrats überschritten. Diese Route hat sich unter Bergsteigern bewährt, um zum Dörfchen Turtmann im Rhonetal zu gelangen. Hier trifft sich Whymper mit den beiden anderen Bergführern, die ihn bei seinem Sommer in den Alpen begleiten sollen: Michel Croz und Franz Biner.
Michel Croz, der aus dem nahe Chamonix gelegenen Le Tour stammt, geniesst bereits Whympers vollste Bewunderung und höchsten Respekt. 1864 hatten sie viele Wochen miteinander verbracht, deren Höhepunkt ein Besteigungsversuch am Matterhorn hätte sein sollen, wenn Whymper nicht aus geschäftlichen Gründen dringend nach London zurück gemusst hätte. Franz Biner aus Zermatt ist unerfahrener, gilt jedoch als sehr zuverlässig und gutherzig. Zudem ist es von grossem Nutzen, ihn dabei zu haben, da Croz nur Französisch und Almer nur Deutsch spricht; die somit erschwerte Kommunikation könnte also zu unglücklichen Missverständnissen führen. Obwohl es Whymper oftmals gelingt, die Verwirrung mithilfe von Skizzenblock und Schreibfeder zu lösen, so ist es Biners Verständnis beider Sprachen, das den entscheidenden Unterschied macht, ob es nun Richtung Norden oder Süden gehen soll.
Day 6
Donnerstag, 15. Juni (Montag)
Heute haben sich Whymper und seine drei Bergführer Croz, Almer und Biner zu Fuss von Turtmann nach Zinal begeben, einem kleinen Dorf auf 1675 Metern, das inmitten von fünf Viertausendern liegt.
Heute haben sich Whymper und seine drei Bergführer Croz, Almer und Biner zu Fuss von Turtmann nach Zinal begeben, einem kleinen Dorf auf 1675 Metern, das inmitten von fünf Viertausendern liegt. Von hier aus planen sie einen Erstbesteigungsversuch des 3962 Meter hohen Grand Cornier. Whymper weiss, dass Adolphus Moore im vergangenen Jahr eine Besteigung versucht, den Gipfel jedoch nicht erreicht hatte. Bei der Überquerung des Forclettapasses studierten sie die Nordwand des massiven Berges eingehend, kamen jedoch überein, dass keine Route auf dieser Seite des Berges machbar wäre und somit eine Alternative gefunden werden müsse.
In den kommenden Wochen möchte Whymper so viele Besteigungen in Angriff nehmen wie nur möglich. Sein Arrangement mit Michel Croz endet etwas früher als es ihm lieb ist, nämlich am 27. Juni; daher möchte er bis dahin aus der Kraft und dem Geschick des Bergführers den grösstmöglichen Nutzen ziehen. Im Juli wird er sich dann mit all seiner Energie dem Zeichnen zuwenden. Dabei wird er sich nicht seinem üblichen Gekritzel in sein Tagebuch sondern vielmehr der Illustration von Büchern widmen – dem ursprünglichen Zweck seiner ersten Reise in die Alpen im Jahr 1860.
Day 7
Freitag, 16. Juni (Dienstag)
Kurz nach 2.00 Uhr morgens haben Whymper, Croz, Almer und Biner Zinal verlassen, um sich zur Südseite des Grand Cornier durchzukämpfen.
Kurz nach 2.00 Uhr morgens haben Whymper, Croz, Almer und Biner Zinal verlassen, um sich zur Südseite des Grand Cornier durchzukämpfen. Sie konnten eine Route finden, die sie fast ausschliesslich im Schnee direkt zum Gipfel führte, den sie um 12.30 Uhr erreichten. Es war eine schwierige Besteigung, denn der schmale Gipfelgrat führte direkt unter einer mächtigen Wechte mit tropfenden Eiszapfen hindurch. Auch der Abstieg stellte sich als nicht weniger anspruchsvoll heraus. Whymper musste schmunzeln, als nicht nur er, sondern auch die Bergführer vorsichtig, einer nach dem anderen, rückwärts abstiegen.
Unten am Gletscher angekommen nahmen sie die Ausrüstung wieder mit, die sie zuvor dort deponiert hatten und stiegen weiter ab in Richtung Alpe Bricola. Dieser auf einem grasbedeckten Absatz weit oberhalb des Gletschers gelegene Weiler dient den Hirten der Gegend als Bleibe. Seit einigen Jahren wird dieser Ort von Bergsteigern als Zwischenunterkunft genutzt. Aber als Whymper und seine Männer die Herberge erreichten, fanden sie letztere abgebrannt und die Alphütten verlassen vor. Das nächste Dorf, Evolène, war fast 12 Kilometer entfernt, was Croz und Biner jedoch nicht daran hinderte, diesen Marsch auf sich zu nehmen – so sehr wünschten sie sich etwas zu Essen und ein Bett. Almer ist jedoch bei Whymper geblieben und wird für seine Loyalität belohnt werden. Whymper ist soeben dabei, die Köstlichkeiten auszupacken, die er für solche Notfälle dabei hat, um diese mit Almer zu teilen. Sie verbringen die Nacht auf blanken Holzbrettern in einer leerstehenden Alphütte.
Day 8
Samstag, 17. Juni (Mittwoch)
Auch die besten Pläne ändern sich oft, wie Whymper heute selbst erfahren musste. Er hatte im Sinn, früh loszumarschieren und schnell nach Zermatt zu gelangen.
Auch die besten Pläne ändern sich oft, wie Whymper heute selbst erfahren musste. Er hatte im Sinn, früh loszumarschieren und schnell nach Zermatt zu gelangen. Somit wären genügend Tage für einen Besteigungsversuch am Matterhorn übrig, bevor Croz seinen Dienst für einen anderen englischen Alpinisten, John Birkbeck, am 27. Juni antreten muss. Die Tatsache, dass Croz und Biner erst um 5.00 Uhr statt wie abgemacht um 4.00 Uhr aus Evolène, wo sie die Nacht verbracht hatten, zurückkamen, vermochte den Plan nicht wesentlich zu ändern. Der Ruf der Dent Blanche hingegen schon.
Mit ihren 4357 m ist die Dent Blanche nicht nur einer der höchsten Berge der Schweiz, sondern zugleich einer der anspruchsvollsten. Whymper ist in dem Glauben, dass niemand auf dessen Spitze gestanden hat, seit diese 1862 von Kennedy und Wigram mit den Führern Jean-Baptiste Croz (Michels Bruder) und Kronig erstbestiegen wurde. Nun möchte Whymper als Zweitbesteiger in die Geschichte eingehen. Also nahmen sie diesen „Umweg“ auf sich, erreichten ihr Ziel und schafften es auch wieder hinunter, trotz 12 Stunden harter und gefährlicher Arbeit, einem unerbittlichen, eisigen Wind ausgesetzt. Dann war es jedoch zu dunkel, um eine Überquerung nach Zermatt zu wagen. Also kehrten sie zurück in die Alpe Bricola, wo sie die zweite Nacht in einer verlassenen Alphütte verbringen werden. Dennoch hat die Besteigung der Dent Blanche unter solch widrigen Bedingungen gezeigt, welch starke Seilschaft Whymper mit Croz, Almer und Biner bildet.
Day 9
Sonntag, 18 Juni (Donnerstag)
Am heutigen Morgen haben Whymper und seine Bergführer den ausgestorbenen Weiler der Alpe Bricola ungewöhnlich spät verlassen.
Am heutigen Morgen haben Whymper und seine Bergführer den ausgestorbenen Weiler der Alpe Bricola ungewöhnlich spät verlassen. Biner, aus dem zutiefst gläubigen Dorf Zermatt, fühlte sich dazu verpflichtet, am Sonntagmorgen zuallererst zur Messe zu gehen. Also bat er zu diesem Zwecke darum, die 12 Kilometer hinunter nach Evolène und wieder zurück auf sich nehmen zu dürfen. Zumindest würde dies angesichts der aufgebrauchten Vorräte bedeuten, dass er die Gelegenheit haben würde, Proviant und Wein mitzubringen. Um 14.30 Uhr kehrte er mit Wein jedoch ohne Essen zurück. Ein Mann muss seine Prioritäten setzen!
Als die Truppe zur Überquerung nach Zermatt loszog war es nicht nur spät, nein, auch das grauenhafte Wetter machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Ein feiner Dunstschleier hatte sich in einen undurchdringlichen Nebel verwandelt. Der Weg, der eigentlich einfach hätte sein sollen, schien unauffindbar. Die Bergführer führten abwechselnd, keiner schien jedoch einen Fortschritt zu erzielen, nur die Beschimpfungen wurden immer häufiger. Jetzt sind die vier Bergsteiger also zurück in der Alpe Bricola, und vor ihnen liegt eine weitere Nacht mit knurrendem Magen in einer verlassenen Berghütte.
Day 10
Montag, 19. Juni (Freitag)
Whymper und seine Bergführer haben ihre dritte Nacht im verlassenen Weiler der Alpe Bricola verbracht, bevor die morgendlichen Sonnenstrahlen ihnen den Weg über den Col d’Hérens nach Zermatt wiesen.
Whymper und seine Bergführer haben ihre dritte Nacht im verlassenen Weiler der Alpe Bricola verbracht, bevor die morgendlichen Sonnenstrahlen ihnen den Weg über den Col d’Hérens nach Zermatt wiesen. Das klare Tageslicht enthüllte nun das Ergebnis ihrer gestrigen Orientierungslosigkeit. Ihre Spuren schlängelten sich ziellos durch den Schnee, besonders zum Zeitpunkt als Croz sie führte, wo ein kompletter Halbkreis wieder dahin zurückführte, wo sie hergekommen waren. Jedoch ist es herrlich, wie gutes Wetter und Kameradschaft die Stimmung wieder zu heben vermögen; die Seilschaft war wieder frohen Mutes. Beim Abstieg am Zmuttgletscher am Fusse des Matterhorns, machte Whymper seine Bergführer auf eine mögliche Route am Matterhorn aufmerksam, an der bisher unversuchten Ostwand, die von ihrem Standpunkt aus viel einfacher aussah als von Zermatt aus. Ihre nächste Herausforderung! Sie schafften es in sechseinhalb Stunden nach Zermatt und Whymper war überglücklich, wieder im Hotel Monte Rosa von Herrn Seiler begrüsst zu werden.
Auch Thomas Kennedy, der zunächst mit seiner Gemahlin unterwegs ist, bevor er sich anspruchsvollen Besteigungen mit Hudson McCormick widmen wird, ist heute Abend in Zermatt. Er trifft Whymper und die beiden tauschen sich über die Dent Blanche aus. Dabei stellt sich heraus, dass es bereits eine Zweitbesteigung gegeben hatte und sich Whymper also damit zufrieden geben muss, lediglich als Dritter auf dem Gipfel gestanden zu haben.
Day 11
Dienstag, 20. Juni (Samstag)
Whymper ist nun fest entschlossen, das Matterhorn zum Ziel der Anstrengungen seiner Seilschaft zu machen.
Whymper ist nun fest entschlossen, das Matterhorn zum Ziel der Anstrengungen seiner Seilschaft zu machen. Obwohl er darauf beharrt, dass ein Versuch von Zermatt aus glücken dürfte und dies vor ein paar Tagen auch zu Croz gesagt hat, beschloss er, sich über den Theodulpass nach Breuil zu begeben. Es scheint, als kämpfe er gegen die Überzeugung von Almer und Biner an, dass der Berg unbesiegbar sein soll. Unterwegs schlägt er daher einen Umweg über das Theodulhorn vor, um seine Bergführer auf eine weitere Route, die den Aufstieg zur Ostwand ermöglichen könnte, aufmerksam zu machen. Croz kann überzeugt werden, während Almer und Biner die Diskussion für ein Schläfchen nutzen. Weiter geht’s nach Breuil, um alle nötigen Vorkehrungen zu treffen.
Während man in der Küche von Favres Herberge in Giomein Proviant für drei Tage zusammenstellt, steigt Whymper nach Valtournenche ab. Er benötigt einen Träger und möchte die Dienste von Luc Meynet in Anspruch nehmen. Schon zuvor hatte er Luc angeheuert, dessen Hilfsbereitschaft er sehr schätzt, vor allem aber gefällt ihm seine positive und fröhliche Einstellung, mit der sich der kleine Mann trotz seines Buckels durchs Leben schlägt. Gesagt, getan, Luc ist dabei – trotz der Bedenken, die Croz und die Schweizer Bergführer zur fragwürdigen Körperhygiene des Bergbauern äussern.
Day 12
Mittwoch, 21. Juni (Sonntag)
Als um 5.45 Uhr die ersten Sonnenstrahlen die Felsen des Matterhorns erhellten, zogen Whymper und seine Bergführer los, um den Berg von Breuil aus zu erobern.
Als um 5.45 Uhr die ersten Sonnenstrahlen die Felsen des Matterhorns erhellten, zogen Whymper und seine Bergführer los, um den Berg von Breuil aus zu erobern. Um 10.00 Uhr fanden sie sich am Fusse des gewaltigen Couloirs zur Ostwand hinauf wieder, das Whymper tags zuvor unter die Lupe genommen hatte. Es sah unglaublich steil und daher schier unmöglich aus. Wollte man dort hinauf, wäre man dem lebensbedrohlichem Steinschlag hilflos ausgeliefert. Almer und Biner weigerten sich strikt, dort aufzusteigen, Croz versuchte es ein Stück weit, erklärte aber jeden weiteren Aufstieg als puren Leichtsinn. Hartnäckig bestand Whymper auf ein Weitergehen, bis er sich schliesslich doch geschlagen geben musste. Sogar angesichts des Widerstands seiner Bergführer war Whympers Wille ungebrochen. Er bestand darauf, eine Route hinauf zum Hörnli zu finden. Dort lauerte dann jedoch ein unvorhersehbares Hindernis: Seit Whymper das letzte Mal vor zwei Jahren hier oben gewesen war, ist der Gletscher zurückgegangen. Ein Aufstieg war unmöglich.
Whymper flehte seine Bergführer weiterhin an, nicht aufzugeben. Während Almer und Biner darauf beharrten, dass jeder weitere Versuch der reinste Wahnsinn wäre, änderte Croz seine Taktik: Wenn sie weiterhin am Matterhorn blieben, so würden sie sich damit selbst die Möglichkeit nehmen, andere Siege an der Mont-Blanc-Gruppe einzufahren, bevor er Whymper am 27. verlassen müsse. Whymper hielt inne. Dann verschlechterte sich das Wetter und er musste schliesslich nachgeben. Sie stiegen ab und sind nun für eine weitere Nacht in Valtournenche eingekehrt.
So endete der siebzehnte Versuch einer Matterhornbesteigung, für Whymper selbst war es der achte – und der Ruf der Unbesiegbarkeit des Berges wird nur noch stärker.
Day 13
Donnerstag, 22. Juni (Montag)
Edward Whymper hat das Matterhorn aufgegeben – zumindest für die nächsten paar Wochen.
Edward Whymper hat das Matterhorn aufgegeben – zumindest für die nächsten paar Wochen. Michel Croz‘ Andeutung, das Mont-Blanc-Massiv biete Herausforderungen, die nur auf sie warteten, bezieht sich hauptsächlich auf die unbestiegene Aiguille Verte. Mit ihren 4122 m wäre eine Besteigung dieses Kolosses eine der beeindruckendsten Errungenschaften dieses Jahres. Jedoch bieten sich schon auf dem Weg dorthin weitere Möglichkeiten und angesichts Whympers Ehrgeiz und des Talents seiner Bergführer wird er sich diese sicherlich nicht einfach entgehen lassen.
Der Gipfel der Grandes Jorasses an der Grenze zwischen Frankreich und Italien wartet ebenfalls noch auf seine Erstbesteigung. Ausserdem zieht Whymper neue Routen über die Wasserscheide zwischen Courmayeur und Chamonix in Erwägung. In jedem Fall ist Schnelligkeit das Gebot der Stunde. Denn in wenigen Tagen schon wird er Croz an Birkbeck verlieren. In der Kutsche setzen sie ihre Reise durch das Aostatal fort – auch wenn es sich Christian Almer in den Kopf gesetzt hatte, einen Teil der Strecke zu laufen. Mittlerweile haben sie Courmayeur erreicht.
Day 14
Freitag, 23. Juni (Dienstag)
Whymper und seine Bergführer Michel Croz, Christian Almer und Franz Biner sind nun in Courmayeur.
Whymper und seine Bergführer Michel Croz, Christian Almer und Franz Biner sind nun in Courmayeur. Der heutige Tag wurde für die erforderlichen Erkundungen für den Versuch einer Erstbesteigung der Grandes Jorasses am morgigen Tag genutzt. Sie stiegen auf den Mont de la Saxe, um von dort aus ihre Beobachtungen zu machen. Es sieht so aus, als ob das komplexe Netz von Graten und Gletschern im oberen Teil des Berges eine machbare Route bieten könnte. Im unteren Teil ist der Gletscher an einer Stelle zurückgegangen, der Fels dort ist blank geschliffen und sieht gefährlich aus. Sie werden jedoch einen Versuch wagen und sogleich zu Bette gehen, um für den erforderlichen frühen Start morgen ausgeruht zu sein.
Day 15
Samstag, 24. Juni (Mittwoch)
Der „Tag“ begann um 1.30 Uhr, als Whymper, Croz, Almer und Biner bei Dunkelheit von ihrem Hotel in Courmayeur aufbrachen.
Der „Tag“ begann um 1.30 Uhr, als Whymper, Croz, Almer und Biner bei Dunkelheit von ihrem Hotel in Courmayeur aufbrachen. Drei Stunden später hatten sie den schwierigen unteren Teil, in dem der Gletscher sich an die Wände der Grandes Jorasses schmiegt, bereits hinter sich gebracht. Nach der Überwindung einer steilen und extrem anspruchsvollen Felspassage waren sie um 13.00 Uhr, auf 4148 m und somit auf dem Westgipfel angelangt. Der Versuch, über den Grat zum etwas höheren Ostgipfel auf 4208 m zu klettern, stellte sich jedoch als unmöglich heraus. Als schliesslich die Sicht durch Nebelschwaden abnahm, einigte man sich darauf, wieder nach Courmayeur abzusteigen.
Der Abstieg verlief sehr viel schneller als beabsichtigt. Lose lag der körnige Schnee auf dem eisigen Untergrund. Die Bergsteiger versuchten zu ein paar Felsen zu queren, schafften es jedoch nicht bis dorthin als sich plötzlich der gesamte Hang in Bewegung setzte. Selbst die Eispickel waren in der immer schneller werdenden Rutschpartie nutzlos. Dann, als das Gefälle etwas abnahm, gelang es Croz und Almer, zur Seite zu springen; die anderen schafften es gerade noch, es ihnen gleichzutun und schon stoben die Schneemassen über die Gletscherspalte knapp unterhalb von ihnen hinweg. Ohne ihr ausserordentliches Geschick und ihren ausgeprägten Gleichgewichtssinn hätte es zumindest einer von ihnen nicht wieder zurück in Bertolinis Hotel geschafft.
Day 16
Sonntag, 25. Juni (Donnerstag)
Endlich ein Ruhetag in Courmayeur für Whymper und seine Bergführer. Erst spät verliessen sie ihre komfortablen Betten, um sich den sonntäglichen Bräuchen zu widmen.
Endlich ein Ruhetag in Courmayeur für Whymper und seine Bergführer. Erst spät verliessen sie ihre komfortablen Betten, um sich den sonntäglichen Bräuchen zu widmen. Im Hotel wird eine Messe für die englischen Gäste abgehalten. Die Entspannung wird jedoch nicht von langer Dauer sein. Gemäss Whympers Plan für den morgigen Tag ist ein Aufbruch für kurz nach Mitternacht vorgesehen, nach nur eineinhalb Stunden Schlaf.
Ein paar Alpentäler weiter – im Hotel Monte Rosa in St. Niklaus – kreuzen sich die Wege einiger anderer Protagonisten unserer Geschichte. Thomas Kennedy reist mit Gemahlin und Hund von Zermatt nach Chamonix, wo er sich mit Charles Hudson treffen wird. Auch Lord Francis Douglas – mit seinen 18 Jahren noch ein Neuling in der Welt des Bergsteigens, jedoch körperlich sehr fit und äusserst talentiert – ist nach Zermatt unterwegs. Sie alle nächtigen im selben Hotel – ob sie wohl heute beim Abendessen aufeinandertreffen und sich über Besteigungsversuche am Matterhorn austauschen werden? Unwahrscheinlich, aber wir werden es wohl nie erfahren.
Day 17
Montag, 26. Juni (Freitag)
Whympers äusserst früher Start sollte in einer neuen Route zur Überquerung der Wasserscheide zwischen Courmayeur und Chamonix gipfeln.
Whympers äusserst früher Start sollte in einer neuen Route zur Überquerung der Wasserscheide zwischen Courmayeur und Chamonix gipfeln. Die gewöhnliche Route führt über den Col du Géant, Whymper jedoch hoffte auf einen neuen Weg der, wenn schon nicht schneller und einfacher, zumindest eleganter sein sollte. Die erste Überquerung eines neuen Passes oder eine Traversierung kann sogar herausfordernder und ein grösserer Erfolg sein als den Gipfel eines Berges zu erklimmen. Um 10.00 Uhr hatten sie den Col Dolent erstiegen und spähten auf der anderen Seite hinunter. Sie erblickten ein schmales Couloir, 50 Grad steil. Blankes Eis, heikle Seilarbeit und unablässiges Stufenschlagen über mehr als 300 Meter. Nach sieben Stunden grösster Gefahr haben sie den verhältnismässig sicheren Glacier d’Argentière erreicht, vor ihnen liegen jedoch, als es bereits dunkel wird, noch viele Stunden bis sie ihr vorübergehendes Zuhause in Chamonix erreichen werden.
In London haben sich heute noch weitere Anwärter auf einen Gipfelerfolg am Matterhorn getroffen. Charles Hudson, John Birkbeck und Joseph McCormick sind unterwegs nach Paris. Hudson wird von zwei Bergneulingen begleitet, seinem Studenten A. J. Campbell und seinem ehemaligen Studenten Douglas Hadow.
Day 18
Dienstag, 27. Juni (Samstag)
Der heutige Tag war für Whymper ein Ruhetag, nachdem er Chamonix gestern um 22 Uhr erreicht hatte, selbst wenn er unter Erholung versteht, einen Spaziergang hoch zum Montenvers über dem Mer de Glace zu unternehmen, wo er sich mit dem Hotelwirt ein paar Bier gönnt.
Der heutige Tag war für Whymper ein Ruhetag, nachdem er Chamonix gestern um 22 Uhr erreicht hatte, selbst wenn er unter Erholung versteht, einen Spaziergang hoch zum Montenvers über dem Mer de Glace zu unternehmen, wo er sich mit dem Hotelwirt ein paar Bier gönnt. Gerade noch rechtzeitig zum Abendessen in geselliger Bergsteigerrunde kehrt er zurück. Er ist hocherfreut über die gelungene Überquerung des Col Dolent, vor allem über die technischen Anforderungen letzterer, dennoch muss er zugeben, dass die neue Route der alten nicht unbedingt zu bevorzugen ist.
Nach Wochen intensiver Bergtouren ist Michel Croz nun ohne Arbeit. Sein nächster Auftraggeber, John Birkbeck, ist nicht in Chamonix angekommen. Nun, da Whymper eine Erstbesteigung an der Aiguille Verte, dem berühmtesten noch unbestiegenen Berg im Tale Michel Croz’ Heimat plant, darf man es letzterem wohl nicht verübeln, wenn er etwas frustriert ist.
Lord Francis Douglas ist in Zermatt eingetroffen und checkt im Hotel Mont Cervin ein. Mit seiner Besteigung des Wetterhorns und des Mönchsjochs vor kurzem ist sein Selbstvertrauen gross und nun ist er auf der Suche nach einem Bergführer, der ihn, so wie er hofft, bei einer Erstbesteigung des Obergabelhorns begleiten wird. Der Name eines starken Mannes mit viel Erfahrung an der Monte Rosa wird ihm genannt: Peter Taugwalder Vater.
Day 19
Mittwoch, 28. Juni (Sonntag)
Um 15 Uhr verliess Whymper Chamonix gemeinsam mit Almer, Biner und einem Träger mit Zeltausrüstung und Vorräten.
Um 15 Uhr verliess Whymper Chamonix gemeinsam mit Almer, Biner und einem Träger mit Zeltausrüstung und Vorräten. Das Mer de Glace tropfte in der Nachmittagssonne leicht vor sich hin als sie den Couvercle, wo sie das Zelt aufstellten, erreichten. Somit würden sie morgen früh einen perfekten Start für die Besteigung der Aiguille Verte hinlegen. Der 4122 m hohe Berg hat bisher unendlich viele Eroberungsversuche zurückgeschlagen. Im vergangenen Jahr verbrachte Whymper mit Adams Reilly einige Zeit damit, mögliche Routen zu studieren; an der Südseite des Berges fanden sie ein Couloir, das ihr Unternehmen erlauben dürfte.
Day 20
Donnerstag, 29. Juni (Montag)
In der Dunkelheit noch verliessen Whymper und seine Bergführer das Zelt am Fusse der mächtigen Aiguille Verte. Der Aufstieg über das Couloir war äusserst schwierig.
In der Dunkelheit noch verliessen Whymper und seine Bergführer das Zelt am Fusse der mächtigen Aiguille Verte. Der Aufstieg über das Couloir war äusserst schwierig. Als es weiter oben dann hart und eisig wurde, verliessen sie diese Linie und folgten den Felsen, die zu einem Schneegrat führten. Nur kurze Zeit später waren sie die ersten Männer, die auf dem stolzesten Gipfel Chamonix’ standen, der Aiguille Verte. Obwohl Whymper bereits auf einigen der höchsten Gipfel Europas gestanden hatte, war er unglaublich beeindruckt von der atemberaubenden Aussicht, die sich ihm bot. Als sie beim Picknick auf dem Gipfel die Schönheit der Natur bewunderten, wurden sie jedoch von einem Touristen gestört, der weit unten einem Horn seine Töne entlockte. Obwohl das Horn zu Ehren der erfolgreichen Besteigung ertönte –Touristen hatten die Männer durch ihre immensen Fernrohre auf dem Gipfel erspäht – war Whymper von diesem unerwünschten Lärm, der die stille Bergluft durchdrang, alles andere als begeistert.
Ihr Plan, eine weitere Nacht im Zelt zu verbringen, wurde zunichte gemacht. Als sie zum Couvercle zurückkehrten, mussten sie feststellen, dass der Träger, den sie in Chamonix angeheuert hatten, all ihre Vorräte aufgegessen und -getrunken hatte. Als Strafe muss er nun die gesamte Ausrüstung selbst über das Mer de Glace nach Chamonix zurücktragen, wo man mit Kanonenschüssen bereits die beeindruckende Erstbesteigung zelebrierte.
Day 21
Freitag, 30. Juni (Dienstag)
Am Tag nach Whympers erfolgreicher Erstbesteigung der Aiguille Verte ist das Wetter trübe und so auch die Stimmung im Dorf.
Am Tag nach Whympers erfolgreicher Erstbesteigung der Aiguille Verte ist das Wetter trübe und so auch die Stimmung im Dorf. Bei seiner Rückkehr ins Hotel wurde Whymper als Held von seinen Bergsteigerkameraden mit Champagner gefeiert. Jedoch brach zur gleichen Zeit ein übler Streit in den Strassen Chamonix’ aus. Die einheimischen Bergführer bezichtigten den Grindelwaldner Bergführer Almer und den Zermatter Biner, ihren Erfolg an der Aiguille Verte erfunden zu haben. Kein Einheimischer soll bei der Erstbesteigung ihres Berges dabei gewesen sein? In Chamonix, wo man bereits seit 1829 mit der Compagnie des Guides ein Büro besitzt, beansprucht man, anders als in den übrigen Bergsteigerzentren der 1860er Jahre, das Bergführerhandwerk als Monopol für sich. Almer und Biner – die „deutschen Bergführer“ – wie die Aussenseiter von den Chamoniarden genannt werden, verteidigten ihren Erfolg jedoch eiligst! Wäre die Gendarmerie jedoch nicht sofort vor Ort gewesen, hätte die Situation ziemlich unschön ausarten können.
Heute hat man Whymper gefragt, ob er gegen den mutmasslichen Anführer, einen einheimischen Bergführer namens Zachary Cachat, Anzeige erstatten wollte. Er lehne dies ab und Cachat wurde auf freien Fuss gesetzt. Cachat ist unter den britischen Bergsteigern wohlbekannt, geniesst den Ruf als einer der besten Bergführer und gilt als ein sehr offener Mensch.
Viele Bergsteigerkameraden weilen zurzeit in Chamonix, die Berge sind jedoch in einen Umhang dichter Wolken gehüllt.
Day 22
Samstag, 1. Juli (Mittwoch)
Das Wetter ist noch immer nicht besser; ein ruhiger Tag für die Bergsteiger.
Das Wetter ist noch immer nicht besser; ein ruhiger Tag für die Bergsteiger. Thomas Kennedy und Edward Whymper haben einen gemeinsamen Spaziergang oberhalb von Chamonix unternommen, und man vermutet, dass sich die beiden über die Aiguille Verte unterhielten. Nachdem Whymper vor ein paar Tagen die Erstbesteigung gelungen war, möchte Kennedy nun die Zweitbegehung für sich entscheiden, sobald sein Seilpartner, Charles Hudson, in Chamonix eintrifft. Whymper plant bereits seinen nächsten Schachzug: über die Berge nach Courmayeur zurück und dann Richtung Breuil und auf zum Matterhorn. Bei dieser Reiseroute sollten allerdings auch unterwegs bereits einige Abenteuer auf ihn warten.
Day 23
Sonntag, 2. Juli (Donnerstag)
Charles Hudson ist heute in Chamonix eingetroffen, jedoch ohne John Birkbeck, den eine Krankheit zur Rückkehr nach England gezwungen hat.
Charles Hudson ist heute in Chamonix eingetroffen, jedoch ohne John Birkbeck, den eine Krankheit zur Rückkehr nach England gezwungen hat. Birkbeck hat sein Arrangement mit Michel Croz an Hudson weitergereicht. Es sieht also so aus, als ob Croz erneut die Gelegenheit haben wird, sowohl die Aiguille Verte als auch das Matterhorn in Angriff zu nehmen, denn beide stehen diesen Sommer auf Hudsons Liste.
Edward Whymper verbringt die Nacht oben in Montenvers, in Couttets spektakulär gelegenem Hotel über dem Mer de Glace. Von dort wird er morgen dann über einen neuen Pass nach Courmayeur queren. Heute Abend hat er im Hotel die Bekanntschaft des jungen Arthur Girdlestone gemacht, einem britischen Geistlichen, ebenfalls Bergsteiger. Auch Girdlestone will nach Courmayeur, allerdings nimmt dieser die traditionelle Route über den Col du Géant. Somit wird sich ein guter Vergleich zur Beurteilung von Whympers neuem Pass bieten. Wenn er es denn schaffen sollte.
Day 24
Montag, 3. Juli (Freitag)
Um 4.00 Uhr verlässt Whymper mit seinen Bergführern Almer und Biner das Montenvers oberhalb von Chamonix eine Stunde später als geplant.
Um 4.00 Uhr verlässt Whymper mit seinen Bergführern Almer und Biner das Montenvers oberhalb von Chamonix eine Stunde später als geplant. Angetrieben von grossem Selbstvertrauen und hervorragender Zusammenarbeit kommen die drei in einem atemberaubenden Tempo über den neuen Pass – den Whymper den Col de Talèfre nennt – voran. Trotz einiger Probleme mit den Moränen beim Abstieg trafen sie um 17.00 Uhr in Courmayeur ein. Noch immer keine Spur von Girdlestones Seilschaft, die Montenvers zur selben Zeit wie Whymper verlassen hatte.
Joseph McCormick, seines Zeichens ebenfalls Geistlicher und Bergsteiger, befindet sich auf einer Reise, die seine Ausdauer aufs Äusserste prüfen wird. McCormick ist vorübergehend in der Grindelwaldner Pfarrei tätig, verfolgt jedoch die Absicht, seine Freunde Kennedy und Hudson bei ihrem Besteigungsversuch an der Aiguille Verte zu begleiten. Nachdem er gestern die sonntägliche Messe gehalten hatte, brach er um Mitternacht auf und erreichte Martinach heute Abend. Nun hat er einen Bergführer angeheuert, der ihn bei einem nächtlichen Marsch nach Argentière begleiten soll, wo er sich morgen Früh mit den Anderen treffen wird. Selbst angesichts der ausserordentlichen Leistungen dieser viktorianischen Bergsteiger nimmt dieser Fussmarsch mit fast 100 Meilen in einem Tag und einer Nacht epische Dimensionen an.
Day 25
Dienstag, 4. Juli (Samstag)
Joseph McCormicks Reise wurde zu einem regelrechten Marathon.
Joseph McCormicks Reise wurde zu einem regelrechten Marathon. Nach seinem Nachtmarsch von Martinach aus hat er Argentière heute Morgen erreicht, fand jedoch nur eine Nachricht von Hudson vor, wonach die Seilschaft entschieden hatte, in Chamonix alle nötigen Vorkehrungen zu treffen und ihren Versuch an der Aiguille Verte von dort aus zu starten. Also ging er die fast 10 Kilometer nach Chamonix hinunter – und kam 20 Minuten zu spät. Sie waren weg! So lief er denn los, um sie noch einzuholen – was ihm schliesslich auch gelang, als sie bei der Überquerung von Gletscherspalten und Eisbrücken am Mer de Glace langsamer wurden. Dennoch war seine Mühe umsonst. Sie hatten einen Punkt erreicht, an dem sich die Gruppe teilen würde. Die Nichtbergsteiger würden hier nach Chamonix zurückkehren, während die Bergsteiger Kennedy, Hudson und Hodgkinson mit ihren Bergführern den prachtvollen Berg in Angriff nehmen würden. Ein akuter Erschöpfungszustand nach seiner dreissigstündigen Reise, und dies meist zu Fuss, zwang McCormick dazu, sich Mrs Kennedy, Hadow und Campbell anzuschliessen. Nun ist er wieder mit ihnen zurück im Dorf.
Edward Whymper und Arthur Girdlestone sind nun nach ihrer gemeinsamen Fahrt in der Kutsche von Courmayeur aus in Aosta angekommen.
Day 26
Mittwoch, 5. Juli (Sonntag)
Heute Morgen gelang die Zweitbesteigung der Aiguille Verte!
Heute Morgen gelang die Zweitbesteigung der Aiguille Verte! Es war eine etwas ungewöhnliche Seilschaft, die den Gipfel erreichte. Die britischen Bergsteiger Kennedy, Hudson und Hodgkinson mit den Bergführern Michel Croz aus Chamonix und dem Zermatter Peter Perren wurden den gesamten Weg von Kennedys Hund begleitet. Die gewählte Route war etwas anders als jene, die Whymper, Almer und Biner vor sechs Tagen genommen hatten. Heute wird diese Route „Arête du Moine“ genannt und ist klettertechnisch immer noch ein echter Härtetest für jeden Bergsteiger.
Der junge Lord Francis Douglas ist heute Abend in Zinal. Er hat Zermatt heute Früh in der Hoffnung verlassen, dass ihm die Erstbesteigung des Obergabelhorns gelingen würde. Er ist in Begleitung seines ersten Bergführers, Peter Taugwalder Vater aus Zermatt. Dies wird für die beiden bereits der dritte Versuch an diesem Berg innerhalb der letzten Woche. In Zinal hat Lord Francis heute Nachmittag einen zweiten Bergführer verpflichtet, Joseph Vianin.
Whymper, Almer und Biner werden die Nacht auf faulig riechendem Heu in einer Alphütte in Chanrion verbringen. Allerdings wird ihnen das den erforderlichen frühen Start morgen ermöglichen, um sich auf dem Weg nach Breuil die Erstbesteigung eines weiteren Gipfels zu sichern.
Day 27
Donnerstag, 6. Juli (Montag)
In den frühen Morgenstunden ist eine Gruppe italienischer Bergführer für einen Eroberungsversuch des unbestiegenen Monte Cervino – besser bekannt als Matterhorn – aus Breuil aufgebrochen.
In den frühen Morgenstunden ist eine Gruppe italienischer Bergführer für einen Eroberungsversuch des unbestiegenen Monte Cervino – besser bekannt als Matterhorn – aus Breuil aufgebrochen. Die Gruppe wird von Jean-Antoine Carrel geführt, einem Steinhauer aus Valtournenche, der für seine inspirierenden bergsteigerischen Meisterleistungen bekannt ist – bei diesem Unternehmen sind keine Touristen dabei. Bei mehreren von Whympers bisherigen Versuchen am Matterhorn war Carrel mit von der Partie. Jedoch arbeitet Letzterer nun auf das Ziel einer Erstbesteigung des Monte Cervino von Italien aus hin; mit dem Segen und der Finanzierung des neu ins Leben gerufenen Club Alpino Italiano. Das Wetter ist jedoch schrecklich, der Versuch endete am Col de Lion und nun ist die Gruppewieder auf dem Weg zurück ins Tal.
Ebenfalls am frühen Morgen des heutigen Tages haben Whymper und seine Bergführer ihre primitive Unterkunft in den Berghütten von Chanrion verlassen. Um 9.15 Uhr erreichten sie den Gipfel der unbestiegenen Ruinette (3875 m) – von Whymper als Spaziergang bezeichnet.
Die Überquerung des gewaltigen Otemmagletschers hätte beinahe in einer Tragödie geendet, als sich unter Almers Füssen eine Gletscherspalte auftat, die ihn fast verschlungen hätte, wäre er nicht mit seinen Kameraden angeseilt gewesen. Die Nacht werden sie in etwas komfortableren Hütten in Prarayer, im Seitental Valpelline verbringen.
Die Herberge auf den Felsen unterhalb der Galerie des Bossons wird von Hudson, Kennedy und ihren Männern als Unterkunft genutzt. Sie sind bereit für die morgige Besteigung des Mont Blanc.
Day 28
Freitag, 7. Juli (Dienstag)
Whymper ist heute Nachmittag in Breuil eingetroffen, Almer und Biner bleiben jedoch unnachgiebig; es soll keinen erneuten Versuch am Matterhorn geben.
Whymper ist heute Nachmittag in Breuil eingetroffen, Almer und Biner bleiben jedoch unnachgiebig; es soll keinen erneuten Versuch am Matterhorn geben. Also suchte er Carrel auf, der tatsächlich ein paar Tage lang zur Verfügung stünde, und heuerte ihn an. Er bedauerte es, Almer und Biner zu entlassen, jedoch hängt sein Herz am Matterhorn und Carrel ist sein Mann für dieses Vorhaben.
Hudson und Kennedy sind nach erfolgreicher Besteigung des Mont Blanc zurück in Chamonix. McCormick, der die Aiguille Verte verpasst hatte, hat sich mittlerweile von den Strapazen seiner Reise erholt und konnte diesmal dabei sein. Douglas Hadow, der aufgrund seiner mangelnden Erfahrung bei der Aiguille Verte ebenfalls nicht mit von der Partie sein konnte, war über die Besteigung des Mont Blanc überglücklich. Als beim Abstieg der Schnee von der Sonne weich wurde, hatte er so seine Mühe mit der Technik. Daher teilte sich die Gruppe, damit Peter Perren dem jungen Mann helfen konnte. Hadows Ausdauer und Kraft jedoch hielten den Strapazen stand und er schaffte den Berg in einer guten Zeit.
Francis Douglas hatte grosses Glück, Zermatt wieder sicher erreicht zu haben. Beinahe wäre alles ganz anders gekommen. Die Erstbesteigung des Obergabelhorns sollte er nicht für sich entscheiden können. Horace Walker und Adolphus Moore hatten sich diesen Sieg bereits gestern mit ihrem Bergführer Jakob Anderegg gesichert. Douglas gelang heute jedoch die zweite Begehung mit den Bergführern Peter Taugwalder Vater und Joseph Vianin. Am Gipfel setzten er und Taugwalder sich für das Mittagsbrot jedoch ausgerechnet auf eine Schneewechte; diese konnte ihr Gewicht nicht tragen und brach ab. Sie wären beide in den sicheren Tod gestürzt, wären sie nicht bei Vianin angeseilt gewesen, der gerade ein Stück zurückgegangen war, um etwas von ihrem Picknick zu holen. Lord Francis muss äusserst erleichtert darüber sein, wieder zurück im Hotel Mont Cervin zu sein, wo er gerade einen Artikel voller Lob über Peter Taugwalders bergführerische Spitzenleistung für das Alpine Journal schreibt.
Day 29
Samstag, 8. Juli (Mittwoch)
Charles Hudsons Pläne für den Sommer fallen allesamt wie ein Kartenhaus in sich zusammen, denn seine Kameraden fallen einer nach dem anderen aus.
Charles Hudsons Pläne für den Sommer fallen allesamt wie ein Kartenhaus in sich zusammen, denn seine Kameraden fallen einer nach dem anderen aus. Birkbeck fiel aufgrund einer Erkrankung aus, und Kennedy muss nun aus geschäftlichen Gründen nach England zurück. McCormick muss für seine letzten sonntäglichen Pflichten wieder nach Grindelwald, jedoch werden die beiden sich am Dienstag in Visp treffen, gemeinsam nach Zermatt reisen und dann endlich für das Matterhorn bereit sein. Und sie können auf Michel Croz als Bergführer zählen. In der Zwischenzeit wird Hudson ein paar Tage in Chamonix verbringen, in Begleitung von Campbell und Hadow.
Das schlechte Wetter in Breuil verhindert jegliches Bergsteigen; so nutzt Whymper die Zeit und trifft Vorbereitungen für einen Versuch am Matterhorn mit Carrel, sobald sich der Himmel wieder aufhellt. Er weiss jedoch nichts von der Ankunft eines gewissen Felice Giordano, einem Gründermitglied des Club Alpino Italiano. Carrel arbeitet bereits für diesen Club, von dem er auch finanzielle Unterstützung für eine Eroberung des Matterhorns für Italien erhält. Carrel ist ein Patriot – seine Verpflichtungen sind klar!
Day 30
Sonntag, 9. Juli (Donnerstag)
Whympers und Carrels Wege haben sich heute gekreuzt, als Whymper die 28 Kilometer hinunter nach Chatillon gegangen ist, um Medikamente für den kränkelnden Arthur Girdlestone zu beschaffen.
Whympers und Carrels Wege haben sich heute gekreuzt, als Whymper die 28 Kilometer hinunter nach Chatillon gegangen ist, um Medikamente für den kränkelnden Arthur Girdlestone zu beschaffen. Carrel erklärte ihm, dass er ab Mittwoch einer prominenten italienischen Adelsfamilie verpflichtet sei. Er ist fest entschlossen, dieser Verpflichtung nachzukommen, ganz egal welche Möglichkeiten sich über die nächsten Tage ergeben würden, welche jedoch ohnehin aufgrund des Schlechtwetters eingeschränkt sein werden. Whymper versinkt während seines Marsches in Gedanken. Es erscheint ihm doch merkwürdig, dass es Carrel vorzieht, ein paar Damen auf ihrem Spaziergang zu begleiten, als einen Eroberungsversuch am Matterhorn zu wagen. Allerdings wird diese Art von Loyalität von einem guten Bergführer erwartet. Am Abend haben Whymper und Carrel in der Herberge in Valtournenche bereits so manchen Krug Wein geleert und lachen über die gemeinsam erlebten Abenteuer der letzten Jahre.
Lord Francis Douglas ist in Zermatt und packt im Mont Cervin seine Siebensachen in der Hoffnung, die letzten Tage noch ausnutzen zu können, bevor er zum 21. Geburtstag seines Bruders nach Schottland zurückkehren muss. Allerdings hat er nach der Entlohnung Peter Taugwalders für die vielen Tage, die sie für einen Besteigungsversuch am Gabelhorn verbracht haben, nun fast kein Geld mehr.
Day 31
Montag, 10. Juli (Freitag)
Bei seiner Rückkehr heute Vormittag in sein Hotel in Breuil wurde Whymper von Signore Giordano gesehen – Letzterer ist im Übrigen die „Adelsfamilie“, die Carrel vorgeschoben hat.
Bei seiner Rückkehr heute Vormittag in sein Hotel in Breuil wurde Whymper von Signore Giordano gesehen – Letzterer ist im Übrigen die „Adelsfamilie“, die Carrel vorgeschoben hat. Carrel wird also einen Weg für Giordano auf den Gipfel des Matterhorns bahnen – für Italien! Im Wissen, dass Whymper ebenfalls auf die Erstbesteigung des Matterhorns in diesem Sommer hofft, versteckt sich Giordano in seinem Zimmer, um somit um jeden Preis zu verhindern, dass der Rivale etwas von den Plänen der Italiener mitbekommt. Der Berg ist von dicken Wolken umhüllt, und die heftigen Regenfälle im Dorf bedeuten Schnee in den höheren Lagen. Noch wird sich niemand dort hinaufwagen.
Lord Francis Douglas weilt im Riffelhaus. Möglicherweise bleibt ihm noch genügend Zeit, um über den Theodulpass nach Breuil und dann nach Zermatt zurückzukehren, sein Gepäck im Mont Cervin abzuholen und seine Heimreise anzutreten. Das Wetter lässt dies jedoch immer unwahrscheinlicher erscheinen.
Charles Hudson ist heute Abend in Martinach. Er kam aus Chamonix, in Begleitung von Hadow und Campbell, den Bergführern Croz und Perren und einigen Trägern samt grossen Mengen an Ausrüstung. Croz konnte stolz einen blauen Savoyarden-Kittel ergattern, den er bei der Reise ins Wallis tragen und so seine Heimat vertreten wird.
Day 32
Dienstag, 11. Juli (Samstag)
Durch einen milchigen Schleier schien die Sonne heute Morgen durch und kündigte zaghaft einen Wetterumschwung an.
Durch einen milchigen Schleier schien die Sonne heute Morgen durch und kündigte zaghaft einen Wetterumschwung an. Carrel hatte diesen gespürt und noch in der Nacht seine Bergführerkollegen und Träger zusammengetrommelt, um Fixseile und Material hoch zu schaffen.
In Visp unten ist das Wetter schlecht, was McCormick daran hinderte, pünktlich zu dem vereinbarten Treffen mit Hudson zu erscheinen. Sein Freund beschloss, nicht weiter zu warten und sich stattdessen in Richtung Zermatt aufzumachen, um das Dorf morgen zu erreichen.
Als Carrels Plan von Girdlestone – der den Italiener auf seinem Weg hinauf zum Berg erspäht hatte – enthüllt wurde, war Whymper vollkommen überrascht. Mit seinem Respekt vor dem Bergsteiger Carrel war er jedoch vielmehr frustriert als verbittert, als ihm klar wurde, dass er in Breuil festsass. Trotz seiner Bemühungen lassen sich weder Träger noch Bergführer finden; es scheint, als ob sie allesamt mit Carrel am Berg wären oder aber andere, dringlichere Verpflichtungen hätten.
Dann erschien nach mehreren Tagen mit Lord Francis die erste Seilschaft, die sich über den Pass wagte. Zur Überquerung des Theodulpasses machte er sich den aufklarenden Himmel zu Nutze; als Träger begleitete ihn der Sohn seines vormaligen Bergführers: der junge Joseph Taugwalder. Whymper und Lord Francis verstanden sich auf Anhieb und erkannten rasch, dass sie ein gemeinsames Interesse für das Matterhorn hegten, auch wenn Lord Francis das Matterhorn eher im nächsten Jahr vorschwebte als in diesem. Whympers Begeisterung war jedoch geradezu ansteckend und Lord Francis schloss sich seinem Plan an, nach Zermatt zurückzukehren und von dort aus direkt zu einem Besteigungsversuch zu starten. Zudem kennt er einen Bergführer dort, der ihnen zur Verfügung stünde: Peter Taugwalder Vater. Whymper wäre sofort aufgebrochen, selbst wenn dies eine Überquerung in der Dunkelheit bedeutet hätte, jedoch fegte ein Sturm über die Berge und schenkte ihnen eine Übernachtung in komfortablen Betten in Breuil.
Day 33
Mittwoch, 12. Juli (Sonntag)
Whymper, Lord Francis und Arthur Girdlestone haben heute Morgen den feuchten und düsteren Theodulpass überquert.
Whymper, Lord Francis und Arthur Girdlestone haben heute Morgen den feuchten und düsteren Theodulpass überquert. Der erste Halt wurde in Schwarzsee gemacht, wo sie ihr Material – Zelt, Proviant und viele Meter Seil – bei der Kapelle am Ufer des Sees verstauten. In Zermatt statteten sie den Taugwalders einen Besuch ab. Peter Taugwalder Vater willigte ein; es schien, er sei bereit für einen Versuch am Matterhorn – dem Berg, den so viele seiner Zermatter Bergführerkollegen für unbezwingbar befanden. Er würde sich um die erforderlichen Träger kümmern.
Nun ist Abend und man versammelt sich zum Essen an Herrn Seilers Tafel im Hotel Monte Rosa. Whymper, Lord Douglas und Girdlestone diskutieren über die beste Strategie zur Bezwingung des Matterhorns, obwohl sich Girdlestone, – der sich seit Kurzem unwohl fühlt (und vielleicht auch spürt, dass ihm die für dieses Unterfangen erforderliche Erfahrung fehlt) – dagegen entschieden hat, beim Versuch dabei zu sein. Dann treten Charles Hudson und Douglas Hadow ein, die den Nachmittag mit einem Erkundungsspaziergang verbracht haben, bei dem sie das Matterhorn studiert haben, als sich dessen erhabene Felsen durch die vorüberziehenden Wolken zeigten.
Zwei Gespräche über das Matterhorn verschmelzen zu einem. Wie lautet der Plan? Noch ist nichts entschieden.
Day 34
Donnerstag, 13. Juli (Montag)
Noch vor dem Morgengrauen zogen acht Männer durch die Strassen von Zermatt.
Noch vor dem Morgengrauen zogen acht Männer durch die Strassen von Zermatt. Vier Touristen, nämlich Edward Whymper, Charles Hudson, Lord Francis Douglas und Douglas Hadow hoffen, den Gipfel des Matterhorns mit den Bergführern Michel Croz und Peter Taugwalder zu erobern. Taugwalders Söhne Peter und Joseph begleiten die Männer als Träger.
Das gestrige Treffen im Monte Rosa wurde schnell zu einer gemeinsamen Mission am Matterhorn. Whympers Bewunderung für den um einige Jahre älteren Hudson, der ein hohes Ansehen unter den Bergsteigern geniesst, und die Möglichkeit einer erneuten Kletterpartie mit Michel Croz, scheinen ihn überzeugt zu haben. Whympers unablässiges Drängen – nun, da die Italiener bereits am Berg sind – muss Hudson beeindruckt haben, der (ein weiteres Mal) entschied, McCormicks Ankunft nicht weiter abzuwarten. Weshalb er Hadow mitnahm (den man bei der Expedition auf die Aiguille Verte zurückgelassen hatte) und weshalb er die Ausrüstung, die er für einen Versuch am Matterhorn mit nach Zermatt genommen hatte, zurückliess, wird für immer ein Rätsel bleiben.
Nachdem die jüngsten Stürme die Luft gereinigt hatten und der Himmel nun in hellem Blau erstrahlte, bereitete der Weg zum Hörnligrat hinauf keine grösseren Probleme. Langsam und stetig kamen sie voran, wobei Whymper und Hudson alle Entscheidungen gemeinsam trafen. Zu Mittag hatten sie ein hohes Felsband erreicht, und bereiteten hier einen Biwakplatz für die Nacht vor. Croz und Peter Taugwalder Sohn kletterten noch weiter hinauf, um auszukundschaften, was sie am morgigen Tage des Gipfelangriffs erwarten würde. Jubelnd kehrten sie zurück, voller Zuversicht, dass ihre Route zum Gipfel vollständig und erstaunlicherweise machbar sei.
Nun, da sich der Schatten des Matterhorns allmählich über Zermatt legt, wird auf dem hohen Felsabsatz ein Feuer entfacht und der Alpengesang der Männer hallt von den Felsen wider. Auf der anderen Seite des Berges, der bald seinen Nimbus der Unbesiegbarkeit ablegen dürfte, kauern Carrel und seine Kameraden in einem halb begrabenen Zelt – der weiche Schnee verhindert jegliches Vorankommen.
Day 35
Freitag, 14. Juli (Dienstag)
Der Tag, an dem der Sieg zur Katastrophe wurde.
Der Tag, an dem der Sieg zur Katastrophe wurde.
Die Ersten, die ihren Fuss auf den Gipfel des Matterhorns setzten, waren Michel Croz und Edward Whymper. Sie hatten sich vom Seil, das die sieben Bergsteiger miteinander verband, befreit und eilten das Schneefeld zum Gipfel hoch. Bis dahin war das Tempo aufgrund der Grösse der Seilschaft und der Unerfahrenheit von Douglas Hadow eher gemächlich gewesen – Hadow war zwar sportlich und mutig, jedoch war dies seine erste richtige Felstour. Kurz darauf standen sieben Männer auf dem Gipfel des Berges, mit dabei auch Peter Taugwalder Sohn, der heute Früh vom Träger zum Bergsteiger „befördert“ worden war. Sie sahen die Italiener nach Breuil absteigen und wussten, dass sie gewonnen hatten. Die Stunde auf dem höchsten Punkt des Matterhorns war womöglich das letzte Mal, an dem allesamt wahrhaft glücklich waren.
Beim Abstieg ging Croz ging voran und half Hadow dabei, die richtigen Tritte zu finden, dann folgte Hudson – ebenso souverän und trittsicher wie die Bergführer, dann Lord Francis, der seine Geschicklichkeit bereits am Gabelhorn unter Beweis gestellt hatte, und Peter Taugwalder Vater, stark und stramm. Whymper und Taugwalder Sohn bildeten den Schluss, sie hatten sich etwas später angeseilt, nachdem sie am Gipfel eine Flasche mit den Namen der siegreichen Eroberer hinterlassen hatten. Schliesslich erreichten sie den schwierigen Überhang.
Keiner der drei, die das Drama überlebt haben, hatte deutlich gesehen, was genau geschehen war, jedoch fiel von einer Sekunde auf die andere einer nach dem anderen hinunter. Peter Taugwalder Vater hielt sich mit aller Kraft an einem Felsen fest, das Seil, das ihn mit Lord Francis verband, riss, und vier der Männer verschwanden in der gewaltigen Felswand.
Edward Whymper und die beiden Taugwalders klammerten sich an den Felsen fest. Nach einer Weile, die für sie die reinste Folter gewesen sein muss, haben sie sich soweit von ihrem Schock erholt, dass sie sich wieder bewegen und nun langsam an den Abstieg wagen können. Eine Diskussion zur Entlohnung der Besteigung entbrennt und strapaziert die vom Trauma ohnehin bereits blank liegenden Nerven über. Die Stimmung zwischen Whymper und den Taugwalders verschlechtert sich drastisch. Bald schon versinkt der Abstieg in der Dunkelheit. Sicherlich werden sie die Nacht am Berg verbringen müssen.
Day 36
Samstag, 15. Juli (Mittwoch)
Heute kurz nach 10.00 Uhr hat Herr Seiler vom Hotel Monte Rosa die Behörden von der gestrigen Tragödie in Kenntnis gesetzt.
Heute kurz nach 10.00 Uhr hat Herr Seiler vom Hotel Monte Rosa die Behörden von der gestrigen Tragödie in Kenntnis gesetzt. Er war Whymper nachgeeilt, als der junge Bergsteiger schwer betroffen nach seiner Rückkehr vom Berg direkt in sein Zimmer stürmte, und erfuhr aus erster Hand von den Ereignissen. Man reagierte schnell und bald schon marschierte ein zwanzig-Mann-starker Suchtrupp Richtung Zmuttgletscher, um nach Leichen oder gar Überlebenden zu suchen.
Für Whymper war es heute schwierig, jemanden zu finden, an den er sich wenden konnte – von der Familie Seiler abgesehen. Girdlestone war an der Monte Rosa unterwegs. McCormick kannte der junge Whymper kaum, hatte aber gehört, dass der gute Freund Hudsons heute Morgen eingetroffen war. Also sandte er eine Nachricht hoch an McCormick, der, im Glauben, dass Hudson von seiner siegesreichen Besteigung des Matterhorns zurückkehren würde, zu einem Ausflug auf den Gornergrat aufgebrochen war. Die traurige Botschaft über den tödlichen Unfall seines Freundes veranlasste McCormick, schnell ins Dorf zurückzukehren.
Der Suchtrupp kehrte mit der Nachricht zurück, dass vom Hohlicht aus drei über den Gletscher verteilte Körper zu sehen seien. Es war jedoch zu gefährlich, sich am Nachmittag noch weiter vor zu wagen. Whymper und McCormick suchen nun nach Freiwilligen, um noch in der Nacht loszuziehen, bevor die Sonne die Seracs erwärmen wird. Dies erweist sich jedoch als schwieriges Unterfangen.
In Breuil hatten gestern die Feierlichkeiten begonnen, nachdem Menschen auf dem Gipfel des Monte Cervino gesichtet worden waren, jedoch ist Carrel jetzt wieder zurück im Dorf. Nun wird nicht weiter gefeiert, man weiss jetzt, dass es die Engländer waren, denen der Triumph von der Schweizer Seite aus gelungen war. Von der Tragödie beim Abstieg ist zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nichts bekannt.
Day 37
Sonntag, 16. Juli (Donnerstag)
Es war noch immer dunkle Nacht als der zweite, von Whymper und McCormick organisierte, jedoch inoffizielle Suchtrupp loszog.
Es war noch immer dunkle Nacht als der zweite, von Whymper und McCormick organisierte, jedoch inoffizielle Suchtrupp loszog. Die Zermatter durften nirgendwohin, bevor sie nicht zur Morgenmesse gegangen waren, und so hatten Whymper und McCormick eine Truppe aus weiteren englischen Bergsteigern sowie Bergführern aus Saas, St. Niklaus und Chamonix zusammengestellt.
Bei Tagesanbruch waren sie bereits auf dem Gletscher. Sie fanden drei aufs Übelste zugerichtete und verstümmelte Leichen: Michel Croz, Douglas Hadow und Charles Hudson. Von Lord Francis Douglas gab es keine Spur, bis auf ein paar seiner Habseligkeiten. Für die Angehörigen wurden einige persönliche Dinge der Toten mitgenommen, darunter Hudsons Uhr, die um 15.45 Uhr stehen geblieben war und Croz’ Kruzifix, welches sich in seinen Kiefer verhakt hatte. Nachdem man die Leichen im Schnee vergraben und ein Gebet aus Hudsons Gebetsbuch vorgelesen hatte, das intakt in seiner Tasche gefunden worden war, kehrte der Suchtrupp nach Zermatt zurück. Die Berichte aller Beteiligten bestätigen, dass es ein Schauplatz des Grauens war.
Nach der heutigen Morgenmesse in Breuil ist Carrel zu einem erneuten Eroberungsversuch am Matterhorn losgezogen. Seine Seilkameraden sind allesamt Einheimische: der Abt Gorret, Jean-Baptiste Bich und Jean-Augustin Meynet. Dieses Mal werden sie die Besteigung richtig angehen, ohne dabei auf schlechtere Bergsteiger Rücksicht nehmen zu müssen.
In Zermatt brodelt bereits die Gerüchteküche. Wo das Gerücht in die Welt gesetzt worden ist, dass Peter Taugwalder Vater das Seil zwischen ihm und Lord Francis Douglas durchgeschnitten haben soll, ist nicht klar, jedoch gewann es schnell an Fahrt. Taugwalder streitet diese Anschuldigung strikt ab und zeigt dabei seine Wunden im Dorf mit den Worten: „Seht, so sehr habe ich versucht, sie zu halten!“.
Day 38
Montag, 17. Juli (Freitag)
Die Spekulationen über die Umstände der Tragödie am Matterhorn verbreiten sich weit über die Grenzen des abgelegenen Dorfes hinaus.
Die Spekulationen über die Umstände der Tragödie am Matterhorn verbreiten sich weit über die Grenzen des abgelegenen Dorfes hinaus. Whymper steht unter dem Druck, eine klare Darstellung der Ereignisse zu verfassen. Zusammen mit McCormick hat er heute einen sachlichen Bericht über den Unfall geschrieben, den McCormick an die Times schicken wird. Der Bericht ist nur spärlich mit Details versehen und soll so den wilden Behauptungen den Wind aus den Segeln nehmen ohne dabei den Angehörigen der Verstorbenen zusätzlichen Kummer zu bereiten. Whymper hofft, dass dies genügen wird.
Eine offizielle Untersuchung wurde einberufen, mit Herrn Joseph Clemenz als Vorsitzendem des Bezirksgerichts. Er ist zugleich Eigentümer und Geschäftsführer des Hotel Mont Cervin. Noch wurde kein Datum festgelegt.
Die zweite Besteigung des Matterhorns war heute am frühen Nachmittag gelungen, dieses Mal von der italienischen Seite. Jean-Antoine Carrel und Jean-Baptiste Bich steckten am Gipfel die italienische Flagge neben Whympers Steinmann. Die heutige Nacht werden sie erneut in ihrem Zelt hoch oben am Berg verbringen. Die Nachricht über den tödlichen Unfall hat heute Breuil sowie Adams Reilly erreicht, der hier kürzlich aus Macugnaga eingetroffen ist. Er wird morgen schnellstmöglich über den Theodulpass nach Zermatt eilen, um seinem Freund beizustehen.
Day 39
Dienstag, 18. Juli (Samstag)
Heute wurde im Journal de Genève ein detaillierter Bericht zum Unfallhergang veröffentlicht, jedoch wird darin Douglas Haddo (sic) mit Francis Douglas verwechselt und zudem soll Lord Francis der fatale Fehltritt unterlaufen sein.
Heute wurde im Journal de Genève ein detaillierter Bericht zum Unfallhergang veröffentlicht, jedoch wird darin Douglas Haddo (sic) mit Francis Douglas verwechselt und zudem soll Lord Francis der fatale Fehltritt unterlaufen sein.
Zu Mittag sind Carrel und seine Männer wieder heil zurück in Breuil, wo die Festlichkeiten mit Freudenfeuern und Gesang bis in den späten Abend dauern werden. Sig. Giordano ist zutiefst enttäuscht, nicht als erster „Monsieur“ den Gipfel von der italienischen Seite aus erreicht zu haben.
Heute Nachmittag traf im Hotel Monte Rosa ein an Edward Whymper adressiertes Dokument ein. Es beinhaltet die Fragen, die ihm bei der Anhörung gestellt werden sollen und man fordert ihn auf, die Antworten schon im Voraus zu übermitteln. Die Fragen sind in deutscher Sprache, Whymper wird diese auf Französisch beantworten. Glücklicherweise findet sich unter den englischen Bergsteigern eine Gruppe Dozenten der Rugby School. Vecqueray spricht alle drei Sprachen fliessend und verbringt einige Zeit mit Whymper. Es scheint, als würde man Whymper ausserdem bitten, einige Fragen an Peter Taugwalder Vater vorzubereiten.
Day 40
Mittwoch, 19. Juli (Sonntag)
Der Bund, eine der führenden Schweizer Tageszeitungen, veröffentlichte heute Morgen einen Bericht zu den Verunglückten am Matterhorn.
Der Bund, eine der führenden Schweizer Tageszeitungen, veröffentlichte heute Morgen einen Bericht zu den Verunglückten am Matterhorn. Demzufolge soll der Fehltritt dem „Engländer direkt hinter dem führenden Bergführer“ unterlaufen sein, also Hadow, jedoch wurde kein Name genannt. Weiter soll laut diesem Artikel Hudson Vorsitzender des Alpine Club gewesen sein, was jedoch nicht der Wahrheit entspricht.
Die Berge um Zermatt haben ein weiteres Opfer gefordert. William Knyvet Wilson, der im Riffelhaus weilte, unternahm gestern nach dem Abendessen einen Spaziergang. Seine Leiche wurde heute Morgen am Fusse des Riffelhorns gefunden.
Inzwischen wurde im Dorf die Frage nach der Verwendung des dünneren Seils zwischen Taugwalder Vater und Lord Francis wieder aufgegriffen. Die Männer, die die Leichen auf dem Gletscher gefunden hatten, waren keine Zermatter, jedoch wurden sie sicherlich befragt, was sie dort gesehen hatten. Der Zustand des Seils ist mittlerweile überwiegend bekannt, und es entstehen wilde Theorien über dessen Verwendung. Womöglich wird die Anhörung hierzu etwas Licht ins Dunkel bringen.
Ein dritter Suchtrupp wird zusammengestellt mit dem Auftrag, die Leichen vom Berg herunterzuholen, sodass diese angemessen beigesetzt werden können. Die Männer werden heute Abend unter der Leitung des Gemeindepräsidenten Joseph Welschen losziehen. Unter den 21 Männern finden sich auch Peter Taugwalder Sohn, der ebenfalls auf dem Gipfel gestanden hatte, sowie sein Bruder Joseph, der anfangs noch als Träger mit dabei war. Die Aufgabe wird keine leichte, sowohl emotional als auch körperlich. Diejenigen, die die Leichen zurück ins Dorf tragen, werden mit reichlich Wein – gestiftet von Mathias Zumtaugwald – beschenkt werden.
Day 41
Donnerstag, 20. Juli (Montag)
Heute ist der 21. Geburtstag von John Sholto, dem Marquess of Queensberry.
Heute ist der 21. Geburtstag von John Sholto, dem Marquess of Queensberry. Sein jüngerer Bruder, Lord Francis, wäre für die Festlichkeiten zuhause in Schottland gewesen, hätte er sich nicht für eine Teilnahme an der Matterhornbesteigung entschieden. Nun wurden die Vorbereitungen für die Feier gestoppt und der schmerzerfüllte Marquis nimmt die Reise nach Zermatt auf.
Die Leichen von Michel Croz, Charles Hudson und Douglas Hadow wurden nach Zermatt gebracht und werden morgen beerdigt. Edward Whymper hat dem Pfarrer 20 Franken bezahlt, um sicherzustellen, dass Croz eine angemessene Bestattung erhält. Die offizielle Anhörung zum Tode der Opfer wird nach der Beisetzung beginnen. Peter Taugwalder Sohn wird nicht in den Zeugenstand gerufen; er durfte bereits aufgrund einer Arbeitsverpflichtung nach Chamonix reisen.
Whymper macht sich bei der Zusammenstellung der Fragen an Peter Taugwalder im Rahmen der Anhörung Gedanken über die Wahl des Seils. Weshalb wurde ausgerechnet dieses Seil zwischen Lord Francis Douglas und Peter Taugwalder Vater benutzt? Wird diese Frage klar beantwortet – so hofft zumindest Whymper – wird Taugwalder den Gerüchten über falsches Spiel den Nährboden nehmen können. Was Taugwalder selbst denkt oder womit er fertig werden muss, können wir nur erahnen. Er ist kein Mann grosser Worte und unter den Bergsteigern der damaligen Zeit war es nicht üblich, schriftliche Aufzeichnungen anzufertigen und weiterzureichen. Taugwalder war jedoch einige Wochen lang mit Lord Francis Douglas unterwegs gewesen und der junge Mann hatte nur wenige Tage bevor er starb sehr positiv über den Bergführer geschrieben. Man kann davon ausgehen, dass Taugwalder seinen Verlust betrauert.
Day 42
Freitag, 21. Juli (Dienstag)
Die Beerdigungen gingen leise über die Bühne. Erst ein katholischer Gottesdienst für Croz und eine Stunde später dann eine anglikanische Version für Hudson, Hadow und Knyvet Wilson.
Die Beerdigungen gingen leise über die Bühne. Erst ein katholischer Gottesdienst für Croz und eine Stunde später dann eine anglikanische Version für Hudson, Hadow und Knyvet Wilson. Bei der Anhörung, die um 14.00 Uhr begann, war – so schien es – die Stimmung ähnlich verhalten.
Als Erster wurde Edward Whymper vernommen. Den Aufzeichnungen zufolge las Clemenz die Fragen vor, die er Whymper im Voraus hatte zukommen lassen, und Letzterer sagte nun seine vorbereiteten Antworten auf. Auf die Frage, wie es zu der „unglücklichen Katastrophe“ kommen konnte, gab Whymper eine detaillierte Beschreibung zu Hadows Fehltritt, wie Croz selbst einen Schritt nach vorne machte, und das Gewicht der zwei fallenden Männer Hudson und Lord Francis von der Felswand riss, während die drei Männer im hinteren Teil der Seilschaft genügend Zeit hatten, sich festzuhalten – und das Seil zwischen Lord Francis und Taugwalder riss. Man bat ihn nicht darum, irgendeinen Teil der Beschreibungen zu erklären oder weiter auszuführen und er wurde auch nichts weiter zum Seil befragt.
Als Nächster war Peter Taugwalder Vater an der Reihe. Die Fragen an ihn waren in erster Linie jene, die Whymper vorbereitet hatte, mit ein paar Abweichungen und Verzerrungen in der deutschen Übersetzung. Als er die Gelegenheit dazu gehabt hätte, seine Wahl des Seils zu erklären – worüber die Gerüchteküche bereits heftigst brodelte – blieb seine mehrdeutige Antwort im Raum stehen. Er gab jedoch zu Protokoll, dass das Seil seiner Ansicht nach stark genug war. Andernfalls hätte er es nicht benutzt.
Schliesslich wurde auch Franz Andenmatten in den Zeugenstand gerufen, um einige Fragen zum Suchtrupp zu beantworten, der die Leichen gefunden hatte und dem er am Sonntag nach dem Unfall angehört hatte. Danach wurde die Anhörung für heute geschlossen.
Day 43
Samstag, 22. Juli (Mittwoch)
Das Gericht lud Alexander Lochmatter, der den von Whymper und McCormick organisierten Suchtrupp ebenfalls begleitet hatte, und befragte ihn zum Fund der Leichen und den fehlenden Überresten von Lord Francis Douglas.
Das Gericht lud Alexander Lochmatter, der den von Whymper und McCormick organisierten Suchtrupp ebenfalls begleitet hatte, und befragte ihn zum Fund der Leichen und den fehlenden Überresten von Lord Francis Douglas.
Am Nachmittag wurde eine Bestandsaufnahme der Habseligkeiten der Verstorbenen vorgenommen und deren Empfang gegengezeichnet. Whymper erhielt die Erlaubnis, Zermatt zu verlassen. Er beglich die offenen Rechnungen von Lord Francis im Mont Cervin und im Monte Rosa, hinterliess Adams Reilly 100 Franken für die Familie von Croz, entlohnte die Taugwalders und machte sich zu Fuss auf den Weg nach Visp.
Jean-Baptiste Croz, Michels Bruder, ist nun in Zermatt angekommen, um dessen persönliche Sachen entgegenzunehmen und ihm am Grabe seine letzte Ehre zu erweisen. Sein Kummer ist beängstigend. Sehr schnell waren ihm die Gerüchte über falsches Spiel am Matterhorn zu Ohren gekommen; die Anschuldigungen, wonach Peter Taugwalder Vater das Seil durchgeschnitten haben soll. Diese werden bald auch Chamonix erreichen.
Day 44
Sonntag, 23. Juli (Donnerstag)
Heute Früh wurde Peter Taugwalder Vater erneut vor Gericht geladen. Man hatte weitere Fragen ...
Heute Früh wurde Peter Taugwalder Vater erneut vor Gericht geladen. Man hatte weitere Fragen ...
Er wurde zur zeitlichen Abfolge der Geschehnisse befragt, der Zusammenstellung der Seilschaft sowie zu einer Unstimmigkeit aus der ersten Befragung bezüglich der Reihenfolge, in der die Bergsteiger abgestürzt waren. Das Gremium wollte zudem wissen, wem das Seil gehört hatte, das gerissen war. Taugwalder antwortete in seiner typischen einfachen Art, ohne jegliche Erläuterungen. Es wurden keine weiteren Fragen zum Seil gestellt.
Rund um Zermatt werden allerdings Verdächtigungen diskutiert und ausgetauscht – dass das Seil in mörderischer Absicht durchschnitten wurde, dass böswillig oder gar unter Nötigung ein schwächeres Seil ausgewählt worden war, dass unzählige Schandtaten begangen wurden – und fallen auf fruchtbaren Boden.
Am Abend hat Whymper Kandersteg erreicht – zu Fuss – wo er die Nacht verbringen und sich ausruhen wird, bevor er seine Heimreise fortsetzt.
Day 45
Montag, 24. Juli (Freitag)
Der Marquess of Queensberry und Bruder von Lord Francis Douglas’ sowie Henry Hadow, der Onkel von Douglas Hadow, sind heute in Zermatt eingetroffen. Edward Whymper hat auf seiner Heimreise mittlerweile Interlaken erreicht.
Der Marquess of Queensberry und Bruder von Lord Francis Douglas’ sowie Henry Hadow, der Onkel von Douglas Hadow, sind heute in Zermatt eingetroffen. Edward Whymper hat auf seiner Heimreise mittlerweile Interlaken erreicht.
Day 46
Donnerstag, 25. Juli (Samstag)
Whymper hat heute von Interlaken aus einen Brief an Herrn von Fellenberg, den Sekretär des Schweizer Alpen-Clubs, geschickt.
Whymper hat heute von Interlaken aus einen Brief an Herrn von Fellenberg, den Sekretär des Schweizer Alpen-Clubs, geschickt. Dieser soll ins Deutsche und Französische übersetzt und dann an die Herausgeber von Der Bund und dem Journal de Genève weitergeleitet werden. Whymper hofft, dass eventuell ein Bericht zur Tragödie am Matterhorn veröffentlicht wird, welcher der Flut an wilden Vermutungen und Gerüchten den Garaus macht.
Day 47
Mittwoch, 26. Juli (Sonntag)
Es ist Sommer und von Fellenberg ist in den Bergen unterwegs. Es wird einige Zeit verstreichen, bevor Whympers Brief in den Schweizer Zeitungen Interesse geschenkt wird.
Es ist Sommer und von Fellenberg ist in den Bergen unterwegs. Es wird einige Zeit verstreichen, bevor Whympers Brief in den Schweizer Zeitungen Interesse geschenkt wird.
Heute reist Whymper über Bern, Neuenburg und Paris nach London. Morgen wird er im Hause seines Vaters in Haslemere eintreffen, wo er von Briefen mit unnachgiebigen Fragen zum Unfall am Matterhorn überhäuft werden wird. In der Presse wird er harsche Worte lesen, welche die entsetzliche Dummheit des Bergsteigens verurteilen wird – jene Tätigkeit, die zu seiner grossen Leidenschaft geworden ist. Die Ausgelassenheit, mit der er vor sechs Wochen aus England angereist war, hat er am Fusse des Matterhorns zurückgelassen, zusammen mit den leblosen Körpern seiner Kameraden, die er zu Tode stürzen sah.
Day 48
Urteilsspruch
Der Untersuchungsausschuss des Bezirks Visp, bestehend aus dem Untersuchungsrichter Josef-Anton Clemenz und dem Gerichtsschreiber C. Clemenz, beide wohnhaft in Visp, ist zu folgendem Beschluss gekommen: Nach erfolgter offizieller Untersuchung des Unfalls bei der Besteigung des Matterhorns liegen keinerlei Gründe für eine strafrechtliche Verfolgung vor.
Der Untersuchungsausschuss des Bezirks Visp, bestehend aus dem Untersuchungsrichter Josef-Anton Clemenz und dem Gerichtsschreiber C. Clemenz, beide wohnhaft in Visp, ist zu folgendem Beschluss gekommen: Nach erfolgter offizieller Untersuchung des Unfalls bei der Besteigung des Matterhorns liegen keinerlei Gründe für eine strafrechtliche Verfolgung vor.
Fakten
... Beim Passieren dieser gefährlichen Stelle rutschte Herr Hadow aus und stürzte dabei auf den Bergführer Croz. Das Gewicht der beiden fallenden Männer riss auch Herrn Hudson mit sowie Lord Douglas hinter ihm. Der kurze Augenblick dieser Geschehnisse gab den Männern hinter ihnen Zeit, sich am Fels festzuhalten, und zwar so fest, dass das Seil zwischen Lord Douglas und Taugwalder Vater in zwei Teile riss ...
In Anbetracht der Tatsache:
- dass für die obgenannten Fakten keinen die Schuld trifft,
- dass Herr Hadow den Unfall verursacht hat,
dass angesichts der Fakten des oben dargestellten Sachverhalts niemand eines Fehlers oder eines Verbrechens beschuldigt werden kann,
wird beschlossen,
dass der bereits abgeschlossenen Untersuchung keine weitere folgen wird und kein strafrechtlicher Tatbestand vorliegt; die Kosten werden von der Staatskasse getragen.